Donnerstag, 14. November 2024
Eine Rezension von Wolfgang Benesch
Welch ein Spaß
Jürgen Becker brilliert beim Spagat zwischen Musik und Politik
Dass Jürgen Becker ein Meister geschliffener Worte ist, weiß Deutschland nicht erst seit den „Mitternachtspitzen“. Dass seine rheinische Lockerheit auch im gesetzteren Westfalen „geht“, war zu beweisen. Der Beleg entließ ein begeistertes Auditorium aus der Delbrücker Stadthalle – das war einfach ein gelungener Abend.
Dabei klang es gar nicht einfach, ließ das anspruchsvolle Thema doch eher Subtilität und Komplexität erwarten als schnell funktionierenden Humor. Wie Musik unsere Entwicklung als Individuen und als Gesellschaft beeinflusst, wenn nicht gar bestimmt, konnte ja nun wirklich näher an elfenbeinturmbasierten Kathedern erwartet werden als an zwerchfellerschütternden Kalauerschmieden. Becker aber ist die geniale Brücke zwischen beiden. Die Zusammenhänge, die er augenzwinkernd aus der Entstehung und der Wirkung von Musik herauskitzelt, sind ebenso frappierend überzeugend wie amüsant. Dass Blutgrätschen der Equipe Tricolore nachvollziehbarbare Folgen der Marseillaise sind, klärt ebenso viel wie das Lehrstück darüber, wie Männer herausfinden, ob „sie“ ein Ceran-Kochfeld hat.
Beckers Kenntnis von und Verständnis für Musik ist tiefgründig und substanzreich, und das tut den pikant-abstrusen Schlüssen, die er daraus zu ziehen weiß, sehr gut. Denn auf der anderen Seite ist er ein brillanter Menschenkenner, der unsere feinen Gefühlsverästelungen ebenso genau zu bedienen weiß, wie er bei Bedarf den Finger genau in die klaffenden Wunden zu legen versteht. So bleibt neben aller Gaudi immer auch Gelegenheit für einen ernsten Hintergrund: Nein, verstanden haben wir allesamt immer noch nicht.
Dass Becker sich hernach die Zeit nimmt, sogar noch mit seinem Publikum zu plaudern, nicht etwa zu verkaufen oder zu signieren, unterstreicht seine Glaubwürdigkeit wohltuend. Was er zu sagen hat, ist wichtiger und ernster zu nehmen, als er selber mit seinen kanarienbunten Schuhwerk vermitteln möchte. Das hätte er gar nicht nötig, denn seine so überragend verschmitzte Art hilft jedem seiner Sätze spontan über die „will ich das wirklich hören?“-Klippe. Den will ich noch mal hören!
Wolfgang Benesch